Krishna ist 33 Jahre alt und steht kurz vor ihren Prüfungen – sie wird ihren Master in sozialer Arbeit abschliessen. Trotzdem unterrichtet sie auch heute die Kinder aus ihrem Dorf.

Um kurz nach eins strömen diese aus der nahegelegenen Schule zum weissen Gebäude in der Mitte des Dorfes. Davor, unter den blühenden Mangobäumen, hat Krishna eine grüne Folie ausgebreitet und eine Tafel aufgestellt, auf welcher verschiedene Körperteile zu sehen sind. Die Kinder setzen sich auf die improvisierte Matte, jedes ein Schulheft in der Hand. Krishna zeigt auf das Bild und auf ihre Nase – die Kinder stehen auf, laufen herum, folgen ihrer Bewegung und sprechen die Bezeichnung nach – auf Hindi und auf Englisch.

Krishna arbeitet schon seit acht Jahren für das Projekt Move & Improve, welches die SA4D und ihre langjährige Partnerorganisation Centre for Rural Education and Development Action (CREDA) 2015 im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh initiierten, um Kinder in ihrer natürlichen Entwicklung zu unterstützen und sie dadurch auf den Schulunterricht vorzubereiten. Eine mangelnde Infrastruktur, viele Prüfungen und harsche Unterrichtsmethoden kennzeichnen die staatlichen Schulen in der Projektregion. Um im Schulsystem zu verbleiben, müssen Kinder belastbar sein und sie benötigen Unterstützung beim Lernen. Durch die COVID-19-Pandemie verschlimmerte sich dieser Zustand. Während ganze Gemeinschaften durch die pandemiebedingten Einschränkungen ihre finanziellen und materiellen Rücklagen verloren, blieben auch die Schulen geschlossen und die Zukunft vieler Kinder rückte weiter in die Ungewissheit. Die ländlichen Gebiete des Bundesstaates Uttar Pradesh, welche zu den ärmsten Teilen des Landes gehören, sind besonders betroffen.

Krishna blieb während der Pandemie nicht untätig. Obwohl die SA4D und CREDA aufgrund der staatlich angeordneten Einschränkungen ihre Arbeit in der frühkindlichen Förderung pausieren mussten, arbeiteten sie weiter daran, Schüler:innen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Wie in anderen Dörfern der Projektregion, bot auch Krishna in ihrem Dorf Nachhilfeunterricht an, damit Primarschüler:innen den Anschluss an den Unterricht auch nach der Wiederöffnung der Schulen schaffen. Ähnlich der frühkindlichen Förderung basiert der Nachhilfeunterricht auf dem Sport- und Spielansatz der SA4D. Für Krishna sind insbesondere die Lernspiele eine wichtige Unterrichtsmethode, denn beim Spielen sind die Kinder motiviert und haben Spass am Lernen. Und Krishna selbst kann dadurch auch die positive Beziehung zu ihren Schüler:innen fördern. Sie sagt:

„Ich möchte für die Kinder eine Ansprechpartnerin sein – dass sie mit Fragen und Problemen zu mir kommen. In der Schule hilft ihnen niemand und sie werden manchmal sogar misshandelt. Hier kann ich ihnen eine Freundin sein. […] Sie kommen gerne zu mir, weil wir zusammen Spass haben und sie mir vertrauen.“

Für Krishna ist es wichtig, insbesondere ihren Schülerinnen eine schulische Laufbahn zu ermöglichen. Sie selbst hat die Relevanz der Bildung für ein selbstbestimmtes Leben in den letzten acht Jahren erfahren. Als Krishna begann, für das Move & Improve-Projekt zu arbeiten, war sie gerade neu ins Dorf gezogen. Sie hatte geheiratet und ihre Familie und soziales Umfeld verlassen, um – den sozialen Normen im ländlichen Uttar Pradesh entsprechend – mit der Familie ihres Ehemannes zu leben. Diese Zeit war nicht einfach für sie. Ihr Ehemann war alkoholkrank und gewalttätig, trotzdem war sie finanziell abhängig von ihm und seiner Familie – ihr Leben war unsicher und fremdbestimmt. Durch ihre Arbeit für die SA4D und CREDA eröffneten sich ihr jedoch neue Möglichkeiten. Sie hatte ein festes Einkommen und eine Arbeit, die sie erfüllte und die ihr gefiel. Sie studierte, zog in ein eigenes Zuhause und brach den Kontakt zu ihrem Ehemann ab. Und sie machte sich einen Namen im Dorf. Ihre Augen leuchten, als sie über ihre Arbeit spricht:

„Vor meiner Arbeit für Move & Improve war ich nur Jemandes Frau. Jetzt bin ich die, die den Kindern hilft, die sie [zurück] in die Schule bringt.“

Welchen Wunsch sie gerne den Kindern mit auf den Weg geben möchte? Krishna zögert nicht, als sie sagt:

„Ich wünsche allen Kindern, dass sie unabhängig werden und in der Zukunft ihre eigenen Entscheidungen treffen können.“