Simbabwe steckt seit der Jahrtausendwende in einer wirtschaftlich-politischen Krise und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Lage des im südlichen Afrika liegenden Staates ist in diesem Jahr besonders prekär...

Die lokale Währung hat rapide an Wert verloren, Proteste gegen die Verdoppelung der Benzinpreise machten international Schlagzeilen, der Zyklon «Idai» forderte im März 2019 Hunderte Menschenleben und die Landwirtschaft hat mit ungewöhnlicher Dürre zu kämpfen. Die Nahrungsmittelsicherheit vieler Haushalte ist stark gefährdet; Möglichkeiten Einkommen zu generieren sind rar. Dies wirkt sich auch auf den Bildungssektor aus. Die SA4D setzt sich dafür ein, dass Bildung neue Perspektiven schafft.

Andrea Wynistorf ist seit Ende 2018 für die SA4D tätig und ist verantwortlich für das Projekt in Simbabwe. Andrea, wie schätzt du aktuell die Situation ein?

Simbabwe befindet sich – wie bereits erwähnt – seit längerer Zeit in einer wirtschaftspolitischen Krise. Die prekäre Lage habe ich bei meinem letzten Projektbesuch im Frühsommer deutlich gespürt. Inflation ist für die Bevölkerung zwar nichts neues, doch bereitet die erneute Abwertung der Währung grosse Sorgen. Auch die Wetterextreme, die Verwüstungen durch den Zyklon und die Trockenheit, die drastische Ernteausfälle zur Folge hat, bestimmen den Alltag vor Ort.

All dies betrifft auch unsere Projektschulen. Lehrpersonen sind über den Wertverlust ihrer Löhne besorgt und die lokale Partnerorganisation berichtet von abnehmender Konzentration einiger Schülerinnen und Schüler, da sie teils nur noch einmal pro Tag eine Mahlzeit essen. Während einem Projektbesuch haben wir die Klassenzimmer leer vorgefunden. Die Kinder mussten frühzeitig nach Hause geschickt werden, da nach mehrtägigem Elektrizitätsausfall kein Tropfen Wasser mehr verfügbar war. Davor hatte man zum Überbrücken einen Generator eingesetzt. Seit dem rasanten Anstieg der Benzinpreise sei dies nicht mehr möglich. Umso bedeutender werden erneuerbare Energien, eine weitere Komponente im Bildungsprojekt.

Die SA4D ist mit ihrem Bildungsprojekt seit 2017 vor Ort. Was heisst das genau?

Das Projekt besteht aus zwei Komponenten. Zum einen soll über die Vermittlung von interaktiven und spielbasierten Lernmethoden die Unterrichtsqualität auf Primarschulebene verbessert werden. Andererseits soll angewandte Agrar- und Umweltbildung und deren Einbezug in den Unterricht Innovationen fördern und zusätzlich die Energie- und Ernährungssicherheit an den betreffenden Schulen verbessern. Dabei arbeitet die SA4D mit dem Jesuiten-Bildungsbüro als lokale Partnerorganisation zusammen, das im Auftrag des Bildungsministeriums 18 religiös unabhängige Schulen betreibt. Das Projekt verfolgt einen sogenannten «Training of Trainers»-Ansatz. Am Beispiel der interaktiven Lernmethoden hat die SA4D im ersten Jahr Lehrpersonen von drei Schulen in den «neuen» Methoden weitergebildet. Darauffolgend wurde die Umsetzung an den Schulen beobachtet und Materialien darauf basierend angepasst. In einem zweiten Schritt wurden von diesen Schulen Lehrpersonen ausgewählt und zu Trainerinnen und Trainern weitergebildet, welche nun Workshops an weiteren Schulen durchführen und in Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation und der SAD die Implementierung in den Klassenzimmern verfolgen.

Das Thema Bildung kann auf ganz unterschiedliche Arten angegangen werden. Die SA4D setzt auf einen sport- und spielbasierten Ansatz, um eine nachhaltige Wirkung in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigung zu erzielen. Wie wird das in Simbabwe umgesetzt?

Die SA4D braucht Sport und Spiel immer als Mittel zum Zweck. In Simbabwe steht die Förderung der Bildungsqualität im Vordergrund. Es ist unbestritten, dass der Lernprozess über direkten Einbezug und Aktivitäten gegenüber reinem Zuhören gefördert wird. Auch im Bildungsprojekt in Simbabwe ist der Fokus an den lokalen Kontext angepasst und basiert eher auf Spiel als auf Sport. Ein kurzes Spiel zu Unterrichtsbeginn kann beispielsweise für ein Thema motivieren oder am Ende der Lektion zum Repetieren und Festigen der gelernten Inhalte dienen. Im Zentrum stehen Methoden, welche fachübergreifend eingesetzt und auf unterschiedliche Kontexte, was beispielsweise Lernziele, Zeitrahmen, oder die Anzahl Lernende anbelangt, angepasst werden können.

Bildung umfasst ein breites Spektrum: von der Frühförderung von Kleinkindern über non-formale bis hin zu formaler Schulbildung. Die SA4D setzte ihren Ansatz Sport und Spiel bisher vor allem im Bereich Frühförderung und non-formaler Bildung ein. Dieser Anwendungsbereich entwickelt sich jedoch weiter. Sport- und spielbasierte Lernmethoden halten nun in einigen Projekten auch in der formalen Bildung Einzug. Wie kam es in Simbabwe dazu?

Simbabwe war das erste Projekt, in welchem der sport- und spielbasierte Ansatz im formalen Bildungssystem eingesetzt wurde. Selbstverständlich benötigte dies einige Anpassungen. Insbesondere wurden interaktive Lernmethoden, wie sie beispielsweise auch in der Schweizer Lehrausbildung vermittelt und eingesetzt werden, stärker integriert, um bestmöglich den lokalen Bedürfnissen zu entsprechen. Auch wenn der neue Rahmenlehrplan des Simbabwischen Bildungsministeriums den Wechsel von einem lehrzentrierten Frontalunterricht zu einem lernzentrierten, interaktiven Unterricht fordert, fehlt das Geld für Weiterbildungen. Genau hier setzte das Projekt an, vor diesem Hintergrund entstand die Projektzusammenarbeit.

Welche Herausforderungen brachte das mit sich?

Zu Beginn gab es einige Herausforderungen: Anders als in informellen Bildungsprojekten beispielsweise zur Frühförderung oder Wiederintegration von Schulabbrecherinnen und -abbrechern folgen die Schulen einem strikt einzuhaltenden Lehrplan mit viel Zeitdruck. An gewissen Schulen sind die Klassenzimmer im Verhältnis zur Anzahl Lernenden sehr klein. Bewegung ist kaum möglich. Setzt man Projekte um, so ist die Berücksichtigung der lokalen Bedürfnisse und Umstände essentiell. In Simbabwe mussten wir mehrere Anpassungen in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren vornehmen. Das Ergebnis war ein Erfolg. Das Feedback auf allen Ebenen, von Lernenden über Lehrpersonen bis zum Bildungsbüro ist äusserst positiv. Auch benachbarte Schulen zeigen reges Interesse, ihre methodische Herangehensweise zu überdenken. Nach Möglichkeit wird deshalb in einer weiteren Phase der Ansatz über die Jesuitenschulen hinaus an weiteren Schulen gefördert.