IM LETZTEN FRÜHLING BESUCHTE DIE SA4D-MITARBEITERIN MERET HUSY ZUSAMMEN MIT DER PROJEKTVERANTWORTLICHEN GIOVANNA DEL DRAGO DAS PROJEKT «HITTING A HOME RUN FOR PEACE» IN KOLUMBIEN. FÜR MERET WAR ES DER ERSTE PROJEKTBESUCH SEIT BEGINN IHRER TÄTIGKEIT BEI DER SA4D. SIE ERZÄHLT AUS IHRER PERSPEKTIVE, WIE SIE DIESEN ERLEBT HAT.
Endlich ist es so weit, ich packe den Koffer für meine erste Projektreise. Seit gut einem Monat weiss ich nun, dass mich mein erster Projektbesuch nach Kolumbien führen wird. Endlich mal ein Projekt live zu sehen, mehr über die Teilnehmenden zu erfahren und die Partnerorganisation vor Ort zu treffen, war schon lange ein Wunsch von mir. Im Büro in Biel für die Projekte zu arbeiten sei ganz was anderes, ist mir gesagt worden.
Am darauffolgenden Tag fliege ich von Zürich über Bogotá nach Medellín, wo mich Giovanna, meine Mitarbeiterin bei der SA4D und Verantwortliche des Kolumbien-Projekts, erwartet. Es ist spät abends als wir im Hostel ankommen. Nach ein paar Ruhestunden tauchen wir am ersten Projektbesuchstag in das moderne kolumbianische Leben ein, zusammen mit Beatriz, der Chefin unserer lokalen Partnerorganisation Grupo Internacional de Paz (GIP). Das erste Treffen mit ihr nutzen wir auch, um uns über den aktuellen Stand der Projektaktivitäten zu informieren und letzte Details für die anstehenden Besuche zu besprechen.
Daraufhin geht es bereits wieder an den Flughafen, diesmal für einen Inlandflug nach Montería, wo wir auf Nancy und Orlando treffen. Für GIP tätig, werden uns die beiden die nächsten zwei Wochen begleiten. Die erdrückende Hitze in Montería spüre ich im heruntergekühlten Hotel nicht. Die Abwechslung zwischen Gesprächen mit den Partner:innen, wie wir das Projekt genau implementieren werden, und der Arbeit am Computer im Business Center des Hotels, gefällt mir. Nancy und Orlando erzählen von ihrer Arbeit bei GIP und wie sie Baseball als Mittel gegen Gewalt und Armut einsetzen. Der zweitägige Austausch über unsere unterschiedlichen aber sich im Projekt gut ergänzenden Ansätze zu «Sport für Entwicklung und Frieden» ist sowohl für uns als auch für GIP sehr bereichernd.
Weiter geht’s nach Apartadó. Wir treffen uns wieder mit Beatriz und neu lernen wir ihre Mitarbeiterin Cristina kennen. Es folgen weitere Gespräche bezüglich des Projekts. Ich bin selbst erstaunt, wie sich meine bescheidenen Spanischkenntnisse bewähren. Zwar kann ich mich anfangs nicht wirklich gut ausdrücken, das Verstehen gelingt mir aber ziemlich gut. Giovanna, hingegen, spricht fliessend Spanisch.
Wir fahren weiter nach Currulao, wo wir ein Baseballspiel miterleben. Mit verschiedenen Zuschauer:innen sprechen wir über die Situation in ihrer Gemeinde und die – teilweise nicht vorhandenen – schulischen, beruflichen und sportlichen Perspektiven der Jugendlichen. Die Gegend erscheint mir so ruhig, die Erzählungen der Bewohnenden zeigen uns aber die alltäglichen Gefahren der vorherrschenden Kriminalität auf. Sind die Sportprojekte im Dorf erwünscht? Bewähren sie sich? Die Feedbacks der Befragten zeigen klar auf, dass sich die Baseballtrainings nur positiv auf die Beteiligten und deren Umfeld auswirken. Was ich schon in der Theorie wusste, nämlich dass sich Sport und Spiel zur Bewältigung von diversen Problemen auszahlen, kriege ich nun eins zu eins mit, und das ist ein tolles Gefühl!
Bald geht es schon weiter nach San Bernardo del Viento. Natürlich hatte ich unsere Stationen in Kolumbien im Voraus gegoogelt und mich daher auf diesen Ort am karibischen Meer besonders gefreut. Eine familiäre Unterkunft direkt am Meer zwischen Palmen und weissem Sandstrand heisst uns willkommen. Doch auch hinter diesem paradiesisch anmutenden Ort verbergen sich ähnliche Probleme wie in Currulao: Perspektivlosigkeit, Gewalt und Drogenhandel. Tags darauf ist ein freier Tag auf unserer Projektreise, welchen wir gemeinsam mit Beatriz und Cristina verbringen und mit frisch gefangenem, gebratenem Fisch endet – lecker! Am nächsten Tag zeigt und erklärt uns Dorcas, die wir bereits am Vortag kennengelernt hatten, wie sie den Jugendlichen Umweltthemen näherbringt.
Der nächste Tagesausflug bringt uns nach Junín, wo wir uns mit den Bewohnenden unterhalten. Auch sie wünschen sich Sportaktivitäten, um den Jugendlichen einen guten Weg zu ebnen. Probleme im Dorf sind neben fehlenden Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten auch die damit verbundenen sehr frühen Schwangerschaften. Ausserdem sind die Dorfbewohnenden ständig von Guerillaorganisationen bedroht. Die jungen Männer könnten jederzeit von diesen zum Mitkämpfen gezwungen werden. Ich spreche mit einigen jungen Frauen, was meine Betroffenheit über die Perspektivlosigkeit im Dorf noch verstärkt.
Eine Abschlussdiskussion mit Beatriz und Cristina und die Rückreise nach Medellín mit anschliessendem Tanzabend beenden unseren eindrucksvollen Projektbesuch in Kolumbien.
Die Wichtigkeit unseres Projektbesuches – oder von Projektbesuchen im Allgemeinen – wurde mir durch diese Reise noch einmal bewusst. Zu sehen, wie viel in den ersten Monaten des Projekts trotz den vielen Herausforderungen und des komplizierten Kontexts erreicht wurde, beeindruckte mich sehr. Auch dank der vielen Gespräche mit GIP konnten wir während dieser Projektreise eine gute Basis für die nächsten Schritte im Projekt schaffen.
DAS PROJEKT «HITTING A HOME RUN FOR PEACE”
Trotz des Friedensabkommens zwischen den FARC (revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) und dem kolumbianischen Staat im Jahr 2016, steht die kolumbianische Karibikregion vor vielen Herausforderungen. Aufgrund fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten haben zwei von fünf jungen Menschen keinen Zugang zu einem ausreichenden Einkommen. Paramilitärische Gruppen und Drogenhändler:innen bedrohen nach wie vor den Frieden und die Sicherheit der lokalen Gemeinschaften und locken gefährdete junge Menschen mit leicht verdientem Geld, einem beeindruckenden materialistischen Lebensstil und der Möglichkeit der Armut zu entkommen, in ihre illegalen Aktivitäten.
Das gemeinsame Projekt Hitting a Home Run for Peace der Grupo Internacional de Paz (GIP) und der Swiss Academy for Development (SA4D) zielt darauf ab, jungen Menschen eine auf ihre Bedürfnisse und die lokale Wirtschaft zugeschnittene Ausbildung in grundlegenden unternehmerischen Fertigkeiten, einschliesslich „grüner“ Kompetenzen («green Skills»), zu ermöglichen. Mit Sport- und Spielaktivitäten unterstützt das Projekt Kinder und Jugendliche dabei, zukunftsorientierte Berufsperspektiven zu verfolgen, wodurch eine nachhaltige Entwicklung und der Frieden gefördert werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei Baseball.
Mehr Infos übers Projekt finden sich hier.
Veröffentlicht 28.09.2023