Mit «Moving Beyond Trauma» unterstützt die SAD von Krieg und Gewalt traumatisierte Frauen in Myanmar. Anlässlich der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen erläutert Projektleiterin Kathleen Woodhouse-Ledermann, wie Sport und Spiel helfen, mit den Folgen eines Traumas umzugehen.

«Moving Beyond Trauma» (MBT) ist ein SAD-Projekt im südöstlichen Staat Karen an der Grenze zu Thailand. Was ist die aktuelle Lage in der Region?

Der Staat Karen war Schauplatz einer der längsten Bürgerkriege Myanmars. Während des Konflikts litten insbesondere auch Frauen unter systematischen Kriegsverbrechen wie Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit. Seit dem Waffenstillstand 2012 sind neuerliche Gewaltexzesse ausgeblieben, doch die Wunden des Krieges sind noch lange nicht verheilt.

 

Wie äussern sich die Folgen des Krieges im Alltag?

Viele Teilnehmerinnen haben psychosomatische Schmerzen. Diese verunmöglichen oft alltägliche Arbeiten wie zum Beispiel den Wohnungsputz. Oft leiden sie auch unter Schwindel und Übelkeit.

Aufgrund der traumatischen Vergangenheit haben die Frauen Mühe, sich von quälenden Erinnerungen zu lösen. Sie haben Konzentrationsschwierigkeiten und es fällt ihnen schwer, ihre Emotionen zu verstehen und mitzuteilen. Oft wissen sie nicht, warum sie so fühlen, woher diese Traurigkeit rührt.

 

MBT richtet sich an Frauen. Was ist besonders an ihrer Situation?

Die Frauen leiden unter starkem Stress und Angstzuständen. Häusliche Gewalt ist nach wie vor sehr verbreitet. Oft müssen beide Elternteile arbeiten und viele Männer sind weg auf der Suche nach Arbeit. Für Frauen führt dies zu einer doppelten oder dreifachen Belastung durch Lohnarbeit, Erledigung des Haushalts und Kinderbetreuung. Sie sind überfordert mit Aufgaben, die sie nie unter einen Hut bringen können. Sie stehen unter ständigem Druck und es fällt ihnen schwer, abzuschalten.

 

Wie gehen die SAD und ihre lokale Partnerin KWEG diese Herausforderungen an?

Wir verfolgen eine traumasensiblen Ansatz. Das heisst, wir zielen nicht darauf ab, ein Trauma direkt zu behandeln, sondern bauen die Fähigkeiten auf, die es braucht, um damit zurechtzukommen.

 

Was bedeutet das konkret?

In einem ersten Schritt, schaffen wir das Bewusstsein für die Thematik. Wir vermitteln den Menschen, was ein Trauma ist und welche Auswirkungen es haben kann. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist ein geschützter Rahmen, ein sogenannter «Safe Space», in welchem sich die Betroffenen physisch und emotional sicher fühlen. Ein Schlüssel dazu ist das Vertrauen zwischen den Trainerinnen und den Teilnehmerinnen und auch in der Gruppe. Klare Informationen, realistische Erwartungen, regelmässige Treffen oder die Zusicherung von Vertraulichkeit stützen diese Beziehung.

 

Das heisst, ihr beginnt damit, das soziale Netz wiederaufzubauen, das verloren gegangen ist?

Genau. Soziale Einbettung ist eins der stärksten Mittel, um die Folgen von traumatischen Erlebnissen zu bearbeiten. Wir müssen das Trauma in einem Umfeld angehen, das nicht-traumatisierende Beziehungen stützt. Erst dann können wir die Frauen darin bestärken, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, bewusste Entscheidungen zu treffen und die Kontrolle über ihr Handeln wiederzuerlangen. Um dies zu erreichen, ermutigen wir die Frauen, sich ihrer Stärken bewusst zu werden und Bewältigungsstrategien zu erarbeiten.

 

Welche Rolle spielen dabei Sport und Spiel?

Sport und Spiel sind ein herausragendes Instrument, um entscheidende Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Der positive Effekt von Bewegung ist offensichtlich. An der frischen Luft zu sein und sich zu bewegen hat einen enormen Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit. Aber Sport und Spiel helfen auch, Verhaltensmuster zu ändern, welche durch das Trauma entstanden sind. Ein Beispiel dafür sind Schwierigkeiten, wenn es darum geht, Probleme anzugehen.

Auf der anderen Seite haben Sport und Spiel auch eine soziale Komponente. Sie bieten eine sehr niederschwelliges Möglichkeit, um Austausch und Kommunikationsfähigkeiten zu fördern. Sport kann sehr integrativ sein, wenn die Regeln stimmen. Nicht viele Ansätze erlauben es, Frauen von 12 bis 65 Jahren einzubinden, wie es bei MBT der Fall ist.

 

Wie entwickelt ihr die Sport- und Spielaktivitäten?

Sport und Spiel existieren in jeder Kultur auf irgendeine Weise. Das heisst, dass sie im jeweiligen Kontext verwurzelt sind. Das nutzen wir, indem wir uns so stark wie möglich auf lokale Spiele und Sportarten stützen. Unser Ansatz lässt sich zudem sehr gut anpassen. Es ist einfach, ein Spiel abzuändern oder eine Alternative zu finden. Wir finden immer einen Weg, um mit einem Ball etwas zu machen, das für die Teilnehmerinnen stimmt.

 

Kannst du ein Beispiel für ein Spiel machen?

Wenn es um Problemlösungsschwierigkeiten geht, machen wir oft folgendes Spiel: Es gibt zwei Teams. Ein Team hat die Aufgabe, die Orangenschale zu ergattern, das andere den Orangensaft. Meistens versuchen die Teilnehmenden einfach, die Orange zu erwischen und benennen nicht, was sie genau brauchen (die Schale, den Saft). Das ist learning by doing. Wir nutzen das Spiel, um einen Denkprozess anzuregen. Was ist falsch gelaufen? Was hätten wir besser machen können? Wie wenden wir diese Einsichten im Alltag an?

Es wichtig, zu verstehen, dass Sport und Spiel als Ansatz nicht bedeutet, einen Ball in die Mitte zu werfen und zum Anpfiff zu blasen. Jede Übung verfolgt ein klares Ziel. Sport und Spiel helfen uns, ein Szenario zu entwickeln, in welchem wir konkrete Fähigkeiten fördern.